jungle world, 06.11.2002 Antikriegskongress Baath in der Menge Die Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international ist gegen einen Irakkrieg und gegen das Embargo. Allerdings kritisiert Barbara Lochbihler die Verhältnisse im Irak und berichtet über extralegale Hinrichtungen und Folter. Und das wurde nicht gerne gehört auf dem Kongress »Der Irak - Alternativen zu Embargo und Krieg«, der am vergangenen Wochenende im Rathaus Schöneberg stattfand und zu dem Friedensgruppen, Attac und Jürgen W. Möllemanns Deutsch-Arabische Gesellschaft eingeladen hatten. Wie die Jungle World erfuhr, wurde der Vertreterin von amnesty zuvor nahe gelegt, sich wegen der anwesenden irakischen Diplomaten zurückzuhalten. In der Diskussion wird sie dann vor allem von deutschen Friedensbewegten attackiert. »Einseitigkeit« wirft ihr eine bekennende Mutter vor, »Mumia Abu Jamal« ruft ein linksradikaler Szeneaktivist. »Warum schweigt amnesty zum Terror des israelischen Staates, und wer bezahlt Sie eigentlich?« will ein irakischer Hochschullehrer von Lochbihler wissen. Überhaupt werde zu viel über Menschenrechte und zu wenig über US-amerikanische Interessen am Öl gesprochen, erklärt jemand von amnesie national. Das verblüfft sogar den Friedensbewegten auf dem Podium. »Unsere Parole lautet doch 'Kein Blut für Öl'«. Großen Beifall ernten beide. Einfacher als Lochbihler hat es der Vorsitzende der Deutsch-Irakischen Gesellschaft, Aziz Alkazaz. Der Irak, so führt er aus, könne keine Opposition zulassen, weil diese potenziell eine Alternative zum System darstelle. »Meinungsverschiedenheiten« gebe es durchaus, aber Meinungsfreiheit sei schwer zu verwirklichen, da sie immer in den »Dienst ausländischer, fremder Mächte gestellt« werde. Ob er sich eine »innergesellschaftliche Demokratisierung« vorstellen könne, fragt die Moderatorin empathisch. Ja, meint Alkazaz, allerdings verhinderten der »Belagerungszustand« und die dadurch entstandene »psychologische Barriere« eine solche Entwicklung. So bleibt es irakischen Oppositionellen überlassen, diese eloquent vorgetragene Verteidigung des Baath-Regimes zu kritisieren. »Die Baath-Partei ist seit 1968 an der Macht, für eine Demokratisierung hatte sie genug Zeit«, ruft einer empört. Auf dem Podium ist die irakische Opposition nicht vertreten. Dafür sprechen Bagdads Botschafter in London, Mudhafer Amin, außerdem Wolfgang Gehrcke (PDS) und der ehemalige Koordinator des UN-Hilfsprogramms für den Irak, Hans von Sponeck. Die Opposition war zwar eingeladen, aber niemand wollte mit Propagandisten des Baath-Regimes gemeinsam auftreten. Wenn der Kongress eine »gewisse Schlagseite« erhalten habe, so Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag, liege das an der Absage der Regimekritiker. Die Ersatzkurdin auf dem Podium, Rim Farha aus dem Vorstand der PDS, weiß: »Frieden ist modern, Krieg ist dumm.« Ein kurdischer Oppositioneller hingegen sagt am Rande der Veranstaltung: »Die Alternative zum Krieg ist der Sturz Saddam Husseins.« doris akrap und deniz yücel