Erklärung bei der Pressekonferenz am 01.11.2002 um 12 Uhr im DGB-Haus Schwieriger Dialog – zum Ziel des Kongresses und den Problemen bei der inhaltlichen Gestaltung Die USA halten nach wie vor an ihrer Absicht eines Krieges gegen den Irak, mit dem Ziel Saddam Hussein zu stürzen, fest. Der deutsche Regierung hat mehrfach ihr nein zu einem solchen Krieg bekräftigt, auch die Mehrheit der Bevölkerung lehnt ihn ab. Zum einen wird aber der Druck seitens der USA noch erheblich zunehmen, zumindest die Nutzung deutschen Territoriums und des deutschen Luftraums zur Vorbereitung und Führung eines Krieges zu gestatten. Zum anderen darf die Haltung zum Konflikt nicht auf die Frage Zustimmung oder Ablehnung eines neuen umfassenden Krieges beschränkt werden. Nach Krieg und 12 Jahren Embargo gegen den Irak, mit seinen verheerenden Folgen für die Bevölkerung, muss dringend Bilanz dieser Irakpolitik gezogen werden und über Alternativen diskutiert werden, mit deren Hilfe der Konflikt mit dem Irak endlich und mit politisch-diplomatischen Mitteln beigelegt werden kann. Ziel des Kongresses ist es daher, eine solche Diskussion in einem breiteren Rahmen anzustoßen. Dazu sollten auf diesem Kongress, neben einer größeren Zahl von Fachleuten, die Vertreter der verschiedenen Positionen zu Wort kommen: die der US-Regierung und der kurdischen Parteien im Nordirak, die der irakischen Regierung, wie der irakischen Regimegegner und nicht zuletzt auch die der deutschen Regierung. Bei der Verwirklichung stießen wir aber auf massive Hindernisse. Ein Schwierigkeit bei der Vorbereitung des Kongresses war natürlich die knappe Zeit, die uns zur Verfügung stand. Wir hätten unter normalen Umständen dafür sicherlich noch gut zwei Monate mehr Zeit eingeplant. Doch lies uns die Möglichkeit, dass der Kriegs noch vor Jahresende beginnen könnte, hierbei keinen Spielraum. Das Hauptproblem lag allerdings darin, dass es offensichtlich im aktuellen politischen Kontext gar nicht möglich war, wie geplant alle relevanten Positionen auf einer gemeinsamen Veranstaltung zu Wort kommen zu lassen. Die Tatsache allein, dass Alternativen zum Krieg und Embargo unter Beteiligung vieler Fachleute, die beidem bekanntermaßen kritisch gegenüberstehen, diskutiert werden sollen, hielt die Befürworter einer Intervention oder der Sanktionen offensichtlich von einer Teilnahme ab. So ist es trotz vieler Bemühungen nicht gelungen, einen regierungsnahen US-amerikanischen Referenten zu gewinnen, auch eine direkte Anfrage schließlich bei der US-Botschaft in Berlin blieb ohne Erfolg. Auch keine/r der für Außenpolitik zuständigen Bundestagsabgeordneten der Regierungskoalition mochte sich an der Diskussion beteiligen und die Haltung ihrer Parteien – z.B. zur Nutzung deutschen Territoriums im Falle eines Krieges oder dem Embargo – erläutern. Ebenfalls einem Dialog auf dem Kongress verweigert, hat sich der größte Teil der kurdischen und irakischen Opposition. Diese Kreise, die für sich in Anspruch nehmen als „Demokratische Opposition“ für alle Iraker zu sprechen, hat sich offensichtlich darauf verständigt, nicht auf dem Kongress zu diskutieren, sondern dagegen zu protestieren, obwohl sich die Podiumsdiskussion am heutigen Abend dem Thema Demokratie und Menschenrechte und den Möglichkeiten der internationaler Einflussnahme widmen wird. So lehnte der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Habib, den wir aus ihrem Kreis eingeladen hatten, mit der Begründung ab, der Kongress sei zu einseitig. Dies durch einen eigenen Beitrag verbessern wollte er aber nicht. Kein Iraker und kein Kurde aus ihren Kreisen, so Habib, könne an dem Kongress teilnehmen, da es den “politischen Tod” bedeuten würde. Dies bestätigte auch der Kurdische Nationalkongress (KNK), der aus Rücksicht auf die kurdischen Parteien im Nordirak ebenfalls absagte. Selbst irakische Oppositionelle, die nicht zum obigen Kreis zählen und das Ziel des Kongress an sich unterstützen, wollten auf Grund des sehr massiven Drucks am Ende doch nicht offen als Referent am Kongress teilnehmen. Die kurdische Haltung ist aber nicht einheitlich. Dr. Rowsh Nuri Shaways, der Präsident der kurdischen Nationalversammlung in Erbil musste absagen, da er im Moment überlastet und unabkömmlich ist. Dies ist verständlich, nimmt doch das Parlament nun nach fast sieben Jahren seine Arbeit wieder auf und gibt es heftige Auseinandersetzungen innerhalb der kurdischen Parteien über den Kurs gegenüber den Kriegsplänen der USA gibt. Uns wurde auf Nachfragen explizit versichert, politische Gründe, wie sie von der Berliner Vertretung der “Kurdischen Regionalregierung” ins Spiel gebracht wurden, hätten bei ihm persönlich keine Rolle gespielt. Einem Schreiben Hans Branscheidts, der für eine der kurdischen Parteien Öffentlichkeitsarbeit macht, ist allerdings zu entnehmen, dass von hier aus Hebel in Bewegung gesetzt wurden, eine Teilnahme Dr. Shaways zu verhindern. Leider war es auch nicht einfach, Referenten zu finden, die die Ansichten der irakischen Regierung vertreten können. Neben bürokratischen Hindernissen spielte hier wohl vor allem auch die Kriegsgefahr eine Rolle, angesichts derer die meisten Iraker lieber im Land bei ihren Familien und ihrer Arbeit bleiben. Teilnehmen wird jetzt der irakische Botschafter in London, Mudhafar A. Amin. Wie bereits gesagt, wollen wir mit dem Kongress zur gesellschaftliche Debatte über eine politische Lösung des Irakkonflikts beitragen, eine Lösung, die vor allem auch das Wohl der irakischen Bevölkerung berücksichtigen muss. Auch wenn die Position der US-Regierung und der “irakischen Opposition” aufgrund ihres Desinteresses bzw. ihrer Weigerung nicht vertreten sind, wird der Kongress durch die große Zahl namhafter Fachleute und Politiker diesem Anspruch sicher gerecht. Nach wie vor repräsentieren er auch noch eine recht große politische Breite. Wer sich die Liste der Referentinnen und Referenten anschaut, wird sicherlich auch nicht befürchten müssen, dass bei den Vorträgen die Kritik am irakischen Regime zu kurz kommen wird. Joachim Guilliard