Neues Deutschland, 01.11.2002 Friedensbewegung Streit um Berliner Irak-Kongress Fragwürdige Zusammenarbeit im Vorfeld kritisiert Von Tom Strohschneider Heute Abend beginnt in Berlin der Kongress »Der Irak – Alternativen zu Embargo und Krieg«. Im Vorfeld ist Kritik wegen der Beteiligung einiger Gruppen aufgekommen. Beim Mannheimer Friedensplenum ist man dieser Tage ungehalten, kommt die Rede auf den für das kommende Wochenende geplanten Irak-Kongress in Berlin. Die Veranstaltung, so das Plenum, könne »zu einer unkritischen Haltung gegenüber dem verbrecherischen Saddam-Regime« führen. Ein Grund: Neben alten Bekannten der bundesdeutschen Friedensbewegung wie dem Friedensratschlag, der Vereinigung IPPNW oder der Deutschen Friedensgesellschaft nennt die Kongress-Einladung auch zwei Organisationen als Mitveranstalter, deren Rolle mindestens Fragen aufwerfe. So gilt die Deutsch-Irakische Gesellschaft (DIG) – etwa für die Menschenrechtsgruppe Pro Asyl – als eng mit der irakischen Regierung und ihrer Baath-Partei verflochten. Der Generalsekretär der DIG, Aziz Alkazaz, organisierte im Sommer 2001 einen Solidaritätsflug nach Bagdad, an dem unter anderem der wegen antiisraelischer Erklärungen in die Schlagzeilen geratene nordrhein-westfälische Grünen- und spätere FDP-Landtagsabgeordnete Jamal Karsli teilnahm. Karsli war überdies Sprecher der ebenfalls als Organisator auftretenden Initiative gegen das Irak-Embargo. Auch der zunächst durch Äußerungen Karslis unter Druck geratene FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann steht in Zusammenhang mit der Initiatorenliste des Kongresses – die Deutsch-Arabische Gesellschaft (DAG), deren Präsident Möllemann ist, lädt ebenso zu der Veranstaltung ein wie eine Reihe anderer Gruppen. Die DAG gilt als Lobbyverein des Wirtschaftsverkehrs zwischen der Bundesrepublik und Irak. Beim Mannheimer Friedensplenum stößt zudem die »unkritische Haltung« gegenüber der Regierung in Bagdad auf. Das Thema irakische Opposition habe dabei ebenso wenig in den Kongressplan Eingang gefunden wie eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Saddam–Regimes, zu der »die Friedensbewegung nicht schweigen« dürfe. Auch die Liste der Podiumsteilnehmer lässt zumindest den Verdacht der Einseitigkeit aufkommen. So begründete Kadhim Habibim, ein im Exil lebender irakischer Wirtschaftswissenschafter, seine Absage mit der im Programm ersichtlichen »unverständlichen Haltung gegenüber dem Regime im Irak«. Annette Schiffmann vom Organisationsbüro des Kongresses erklärte gegenüber ND, dass es bei eingeladenen Oppositionspolitikern eine Reihe von Absagen gegeben habe. Bereits erwartete Gäste hätten mit Vertretern der Regierung Iraks nicht auf einem Podium zusammensitzen wollen. Inzwischen sei es aber doch noch gelungen, so Schiffmann, eine Teilnahmezusage eines irakischen Oppositionspolitikers zu erhalten. Die Zusammenarbeit mit Organisationen wie der DAG und der DIG habe sich aus bestehenden Kontakten ergeben. Man habe zudem die Absicht gehabt, »ein breites Forum zum Thema Irak« auf die Beine zu stellen. Auf dem Kongress treten neben der Generalsekretärin der deutschen Amnesty-International-Sektion, Barbara Lochbihler, unter anderem die PDS-Politiker Wolfgang Gehrcke und Rim Farha, der Theologe Edelbert Richter (SPD) und Reinhard Mutz vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg auf.